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„Ich stelle mich nicht mit einer Schelle hin“

Ein Paar berichtet über das
Kennenlernen mit Epilepsie

Im folgenden Ausschnitt finden Sie einen sehr interessanten Artikel der Einfälle (Ausgabe 155), der die Lebensgeschichte von Horst und Brigitte (auf Wunsch wurden die Namen von der Redaktion geändert) über das Kennenlernen mit Epilepsie wiedergibt. In diesem Sinn wünschen wir ein kurzweiliges Lesevergnügen!


Horst und Brigitte (auf Wunsch wurden die Namen von der Redaktion geändert) haben sich im Oktober 2018 während einer Seminarwoche kennengelernt und sind danach auf freundschaftlicher Ebene in Verbindung geblieben. Nach drei bis vier Monaten wurde eine feste Beziehung daraus. Als sich dies abzeichnete, hat Brigitte Horst bei bei einem Spaziergang mitgeteilt, dass bei ihr vor circa 16 Jahren Epilepsie diagnostiziert wurde.

„Das war mir wichtig“, erzählt sie im Rückblick. Dadurch wollte sie auch feststellen, wie „Horst darauf reagiert“, sagt sie lächelnd. Und ihr Horst hat dabei nicht den Eindruck erweckt, als würde diese Information in irgendeiner Weise die junge Beziehung belasten oder in negativer Weise verändern. „Ich habe sie gefragt, wie sich dies konkret äußert und mich über diese Krankheit erstmal im Internet schlau gemacht“, erzählt der Mittsechziger. Die Epilepsie trat schließlich immer mehr in den Hintergrund, zumal es bei Brigitte bis zum Frühjahr dieses Jahres zu keinem einzigen Anfall kam. Er wusste von seiner Brigitte, dass sie medikamentös gut eingestellt ist und machte sich daher in der Folge kaum noch größere Gedanken oder Sorgen.

An einem Märzmorgen beim Frühstück sei Brigitte plötzlich ohne irgendwelche vorherigen Anzeichen neben ihm vom Stuhl gekippt. Horst hatte bis zu diesem Moment noch nie bei jemandem einen epileptischen Anfall erlebt: „Ich war im ersten Moment schon recht erschrocken, habe mich aber an die Erzählung von Brigitte erinnert, wie so ein Anfall ablaufen könnte.“ Zum Glück war Brigitte kurze Zeit danach wieder bei Bewusstsein und auch ansprechbar. Das passierte dann etwa einen Monat später erneut in ähnlicher Weise. Und schließlich im Mai bei einer Familienfeier nach dem Abendessen wieder. „Ich war gerade am Nachbartisch in einem Gespräch und hörte hinter mir Geschirr scheppern. Ich drehe mich um und erkannte sofort, dass Brigitte erneut einen epileptischen Anfall hatte. Ich hörte, wie man erschrocken nach einem Arzt rief. Ich konnte die Aufregung schnell beruhigen“, erklärt Horst im Rückblick. Außer ihm wusste niemand der Anwesenden von Brigittes Epilepsie. Aber er musste sich danach von der Verwandtschaft fragen lassen, wieso er sie von der Erkrankung seiner Partnerin nicht früher informiert hatte. „Ich stelle mich ja nicht mit einer Schelle hin und verkünde das jetzt allen“, meint er. Wohl dosiert wollten die beiden es den Verwandten bei entsprechender Gelegenheit mitteilen – die Aktualität beendete dann aber diesbezügliche Überlegungen. „Jetzt wissen es alle“, aber die Epilepsie sei kein besonderes Thema mehr in den Gesprächen.

Brigitte hat die Epilepsie mit Anfang 40 bekommen und arbeitet als kaufmännische Angestellte in einer großen Firma. Die Ursache für ihre Epilepsie ist unbekannt. Jahrelang hatte sie Ruhe vor der Erkrankung mit den vielen Facetten – bis vor ein paar Monaten. Wenn sie kann, kämpft sie gegen die fokalen Anfälle an: „Dann sehe ich den Anfall wie eine Lawine auf mich zurollen und denke so bei mir „komm doch“ und setze mich auf den Boden. Das hilft, dann geht es schnell vorbei.“ Allerdings sei sie hinterher immer sehr erschöpft. Ihrem Partner tut es richtig leid, das so mitzubekommen und die häufigen Anfälle der letzten Monate haben ihn auch erschrocken, wie er sagt. Der Besuch der örtlichen Selbsthilfegruppe war seine Idee und zuerst kam er auch allein dorthin. Aber dann konnte er Brigitte überzeugen, mitzukommen. „Es tut gut, von anderen zu hören, wie es ihnen geht, was sie erleben und was sie gegen die Epilepsie oder mit der Epilepsie unternehmen“, fasst das Paar zusammen.

Autor: Sybille Burmeister (Bundesverband Deutsche Epilepsievereinigung)

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